Donnerstag, 30. Juni 2016

Mutti hilft. Hilft nix.

Heute früh hatte ich ein komisches Gefühl. Ich habe mich auf die Bundesjugendspiele gefreut. Zum ersten Mal. Nun gut, es waren ja auch nicht meine eigenen, sondern die meiner Tochter. Meine eigenen habe ich gehasst. Ich gehörte nämlich zu den armseligen Kindern, die immer als vorletzte in die von kruden Mitschülern zu bildenden Mannschaften gewählt wurden. Wenn meine beste Freundin krank war, sogar als letzte. Ich konnte nur so weit werfen wie ein Igel und springen wie ein Regenwurm. Nur im Laufen war ich fix. Aber eine Ehrenurkunde habe ich keine in meiner Erinnerungskiste. Übrigens eine Tatsache, die den werten Mann sehr verblüfft. "Wie kann man denn keine Ehrenurkunde schaffen?! - Oh, aber ist ja auch gar nicht so wichtig..."

Wie auch immer. Mittlerweile bin ich in dem Alter, um als Helfermutti bei den Bundesjugendspielen dabei sein zu können. Romantische Vorstellungen von jubelnden, sich gegenseitig anfeuernden Kindern, die mit geröteten Wangen und voller Stolz über den Sportplatz fliegen. Erwachsene, die sich die Hand reichen und die Schüler gemeinsam zu Höchstleistungen anspornen. Ich bin ja auch blöd manchmal. Denn natürlich gibt es diese Szenen. Aufgeregte Erstklässler, motivierte Zweitklässler, ambitionierte Drittklässler und schon fast arrogante Viertklässler. Aber es gibt auch andere Szenen. Und Helfereltern. Und die gab es damals noch nicht.

Früher gab es einen Lehrer für "Achtung, fertig, los!" und einen für "9,3" oder "2,79". Heute gibt es zusätzlich noch drei bis sieben Elternteile pro Station, die ebenfalls Aufgaben erfüllen möchten. Ich zumindest. Daher kam ich auch hoch motiviert und pünktlich zum Treffpunkt. Ich hatte mir ein Schul-Shirt von der Tochter geliehen (dank amerikanischer Größen passe ich doch tatsächlich in die Größe "9-11 Jahre") und die alte Regenjacke des Mannes mit "Jugend trainiert für Olympia"-Aufdruck. Dazu meine schnellsten Schuhe. Ich sah aus wie verkleidet. Keiner trug Sportzeug, einige trugen Röckchen, viele Regenschirme. 

Abgehetzt kam ich auf die Minute pünktlich auf den Sportplatz, um dann 50 (fünfzig!) Minuten herumzustehen. Alle standen herum. Einige hatten sich Thermoskannen und kleine Windbeutel mitgebracht. "Käffchen?" 

Nun muss man wissen, dass ich, was solche Veranstaltungen angeht, ein Freak bin. Organisiert, vorbereitet, herrisch. Aber dies war ja nicht meine Veranstaltung, daher war ich ruhig. Äußerlich. Es trudelten die Kinder ein und stellten sich auf. Die Stationen waren unbesetzt. Keiner tat etwas und es schien auch niemanden zu stören. Ich fragte nun jemanden, den ich für kompetent hielt, was ich denn tun könne. Ich bekam als Antwort: "SIE wollen helfen?" ... (Nein, ich laufe immer so verkleidet herum und liebe es, frühmorgens 50 Minuten herumzustehen und Windbeutel zu fressen! Natürlich will ich helfen!!) Ich bekam also zusammen mit einer anderen Mutter eine Aufgabe zugeteilt. Eine weitere Mutter wollte aber nicht von dieser Mutter getrennt werden (vermutlich haben die beiden schon im Sandkasten zusammen mit Windbeuteln geschmissen). Also gab ich meine Aufgabe wieder ab und erhielt eine andere. Hauptsache, es ging los.

Ich wurde als Zielweibchen beim 50m-Lauf eingeteilt. Ich stand hinter der Ziellinie und lockte die Kinder heran. Ich gab alles, motivierte, brüllte, klatschte. Ich war gut. Und relativ unnötig. Aber diese Position gab mir die Chance, in die Gesichter der Grundschüler zu schauen. Und das war schön. Von der großen Freude über zwei gewonnene Millisekunden bis zur Verzweiflung, weil man auf der Strecke einen Schuh verloren hatte. Gesichtsausdrücke, die ich gern mit der Kamera festgehalten hätte. Aber das hätte ja gestört. Nicht, dass das andere Eltern davon abgehalten hätte, sich genau auf die Ziellinie zu stellen, um ihren Nachwuchs beim großen Lauf zu filmen und den entsetzten Kindern eine miese Zeit zu bescheren, weil diese sich nicht trauten, ihre Eltern über den Haufen zu rennen. Natürlich gab es auch Eltern, die ihre Kinder anhielten, quer über die Rennbahn zu laufen, um Jacke, Massage und nassen Kuss in Empfang zu nehmen. Und die mich gereizt ansahen, wenn ich mein "RUNTER VON DER BAHN!" einen Hauch zu laut brüllte. Wie gesagt, ich bin ein Freak.

Vielleicht kann ich mich nächstes Jahr als Schreiberling einteilen lassen. Die Diskussionen, warum die Kinder denn nicht in der Reihenfolge liefen, in der die Zettel im Mäppchen abgeheftet waren, fand ich nach dem neunten Mal dann doch etwas müßig. Jung-Lehrer (die Kinder sollen mit dem Partner zusammen laufen, der sie am besten laufen lässt) gegen Alt-Lehrer ("Dann muss ich ja blättern! So geht das nicht!"). Puh.

Am Ende wusste keiner mehr, wo er eigentlich hin sollte und alle liefen bunt durcheinander. Und letztendlich war es doch ganz schön. Es gab gesponsorte Sport-Shirts für die Kinder und ein Pausenbuffet. Das hätte ich mir zu meiner Schulzeit nicht träumen lassen. Nächstes Jahr werde ich meine Zwanghaftigkeit einfach zuhause lassen und stattdessen eine Portion Omm sowie eine Thermoskanne Kräutertee einpacken. Und eine gewisse Offenheit. Dann wird es sicher wieder ein schönes Fest.


Montag, 16. Juni 2014

Da soll noch mal einer sagen, Fußball gucken mit Frauen sei anstrengend.

Ich habe keine Ahnung von Fußball. Wenn ich alle Fragen, die mir beim Gucken eines Fußballspiels in den Sinn kommen, laut aussprechen würde, dürfte ich schon bald nicht mehr mitgucken.

Meine Kinder, ein Mädchen (7) und ein Junge (4) haben auch keine Ahnung von Fußball. Aber sie sprechen ALLES laut aus, was ihnen beim Gucken in den Sinn kommt.

Das Schöne am heutigen Abend ist, dass nur die Ahnungslosen der Familie zuhause sind. Daher haben wir auch fast vergessen, dass Weltmeisterschaft ist und dass zur kindertauglichen Zeit von 18:00 Uhr die Deutschen gegen Portugal auflaufen sollen.

Das Tröten der Nachbarn erinnert mich aber rechtzeitig, so dass ich mir etwas Motivierendes für das Event ausdenke: ein Picknick vor dem Fernseher. Da meine Kinder kaum fernsehen, stutzen sie zwar, lassen sich dann aber bereitwillig nieder. Es gibt ja genügend Leckereien auf der Decke. Dann geht es los. Anpfiff.
  • Mama, das ist mir zu laut!
Das geht ja gut los. Ich beginne, das Spiel zu erklären. (ICH! SPIEL! ERKLÄREN!). Guckt mal, die Weißen, das sind die Deutschen. Und die Roten, das sind die Portugie...
  • Und die Blauen??!
Das sind die Schiedsrichter. Und jetzt muss ich mich um das Rührei kümmern. Wenn ein Tor fällt, sagt mir Bescheid. Ich gehe in die Küche.
  • Ein Tor, glaube ich!!!!
Ich renne ins Wohnzimmer.
  • Der Torwart hat zurück geschossen!
Ich gehe in die Küche zurück.
  • Die Portugiesen haben ein Tor geschossen!!!
Ich renne ins Wohnzimmer. Nein, haben sie nicht. Ich gehe in die Küche zurück.
  • Die Deutschen haben ein Tor geschossen!!!
Ich renne ins Wohnzimmer. Nein, haben sie nicht. Ihr versteht schon.

Ich erkläre den Kindern die Anzeige oben links. GER = Deutschland und so weiter. Keine Tor!-Rufe mehr. Endlich können wir essen. Kurzes gefräßiges Schweigen. Dann geht es los.
  • Mama, was ist, wenn einer den Ball über den Zaun schießt?
  • Mama, ich will Dir was sagen! Der Mann hat den Ball über den Zaun geschossen, und eine Frau hat ihn zurück geworfen!
(Selbst ist das Kind.)
  • Gibt's bei den Portugiesen nur rot?
  • Warum ist da ein weißer Kreis und ein weißer Strich?
(Von wegen, ich habe keine Ahnung von Fußball... Ich weiß alles!)
  • Guck mal, da läuft ein Schiedsrichter!
  • Warum gibt es keine Salami?
Tor!!!! (Das war ich.)
  • Wieso?
Ich erkläre das Tor. Die Wiederholung wird gezeigt.
  • Haben die jetzt zwei Tore geschossen?
Ich erkläre die Wiederholung.
  • Oh! Portugal fällt hin!
  • Wollen die jetzt tausend Tore schießen?
  • Was ist das denn für ein Fehler? Knapp daneben!
Das Klugscheißen beginnt.
  • Machen die auch mal 'ne Pause?
  • Portugal ist echt nicht gut im Spielen. Guck doch mal, die haben immer noch null Tore!
  • Müssen in Indien jetzt noch Kinder arbeiten?
(Kinder springen ganz gern mal in ihren Gedanken.)
  • Da hat ein Schiedsrichter gepfiffen!
  • Oh, der fliiiiiegt!
  • Hast Du schon mal eine Hexe Fußball spielen sehen?
  • Ah, da hat einer einen Kopfball gemacht. Das würde ich nicht tun.
  • Machen die eine Ess- oder eine Sitzpause?
Ich erkläre die Halbzeit (die noch weit weg ist). Ich vermute, das gesessen und gegessen werden könnte und dass der Trainer mit seinen Kindern, äh, Spielern schimpft oder sie lobt.
  • Aber der eine Deutschländer hat doch was gut gemacht - der hat ein Tor geschossen!
Richtige Erkenntnis, falsches Deutsch. Aber das kommt ja vor bei Fußballern.

Die Kamera schwenkt ins Publikum zu einer hübschen Frau in Deutschland-Trikot.
  • Mama, wie ist die dahin gekommen? Mit dem Heißluftballon?
  • Mama, wie heißt ein fliegendes Pferd?
Pegasus.
  • Mama, ist die Frau mit einem Pegasus gekommen?
Bestimmt.
  • Einer hat AUA gesagt!
  • (35. Minute) Hab ich gewonnen?
Foul. Rote Karte für Portugal.
  • Mama, ich möchte doch nicht nach Portugal in den Ferien. Die schubsen mich bestimmt auch!
  • Doch!!!! Leberwurst auf Frischkäse geht!!!
Halbzeit.
  • Können wir jetzt Zähne putzen und ins Bett?
 ... Und da soll noch mal einer sagen, Fußball gucken mit Frauen sei anstrengend.

Donnerstag, 14. November 2013

Arztpraxis der Hölle.

Möbel vom Sperrmüll. Plastikblumen, leicht verschossen. Eine Wanduhr im Dartscheibendesign, die zu laut tickt. Bilder von Wunden an den Wänden. Hysterische Diskussionen zwischen Ärztin und Sprechstundenhilfe quer durch die Praxis. Ich sitze im Wartezimmer der Hölle.

Mein Termin war vor über einer Stunde. Leute, die grußlos kommen und gehen. Ich weiß nicht, ob sie in Sprechzimmern verschwinden oder sich in Luft auflösen. Überall hängen Zettel, auf denen steht, dass ein Termin nicht bedeutet, dass man nicht warten muss. Selbst wenn man der erste Patient des Tages ist, muss man warten. Man muss ja genügend Zeit haben, all die appetitverderbenden Broschüren zu lesen, die ausliegen. Zeitschriften gibt es nicht. Doch, ein Benjamin-Blümchen-Heft von 2003.

Ein Herr fragt nach, warum es so lange dauert. Er wird niedergeredet und dann aufgefordert, sich bei der Ärztin zu beschweren. Als er das tut, wird er nochmal mit Worten zerschmettert. Die Frau redet wie eine Maschinenpistole, laut und schneller als man zuhören kann. Er kommt mit großen Augen zurück ins Wartezimmer und fragt leise: "Wollen wir alle gleichzeitig gehen?" Ich will gerade zustimmen, als ich ein lautes Schnarren höre.

Obwohl die Anmeldung nur einen Meter entfernt ist, werde ich per Lautsprecher aufgerufen. Wie die Engel von Charlie.

"Tach, Frau Klar."
"Kler."
"So, Frau Klar.... laber, laber laber...."
"Kler."
"Frau Klar, waren Sie schon mal bei uns?"
"Ja." (Leider.)
"Ah ja, ich sehe, dass Sie 2009 bei Frau Dr. Dingsbums waren und dann zu uns gekommen sind. Laber, laber, laber. Aber wir haben ja gar nichts gemacht!"
"Doch."
"Nein!"
"Doch."
"Ach ja, Sie müssen das hier unterschreiben, während ich mich mal einlese." (Einlaber, meint sie wohl.)
Ich lese.
Sie labert mich voll, warum ich das unterschreiben muss, obwohl ich es ja eigentlich doch nicht unterschreiben müsste, aber sie muss das nochmal checken, aber doch, ach nee, doch nicht, also das versteht sie nicht... Sie drückt auf den Knopf und wird zu Charlie:
"Frau DINGS!!!?"
"Ja?"
"Wie sind Sie denn auf die dusselige Idee gekommen, Frau Klar diesen Zettel hinzulegen?"
"Kler."
"Das war doch total schwachsinnig!"
Engel Dings murmelt was durch die Leitung.
"Ach, so. Dann ist es ja gut. Also, Frau Klar, unterschreiben!"
"Kler. Ich unterschreibe hier also, dass ich 10 Euro zuzahle?"
"Das weiß ich nicht, ob Sie 10 Euro zuzahlen!"
"Wie bitte?"
"Das weiß ich doch nicht, ob Sie 10 Euro zuzahlen. Bisher sehe ich hier noch kein Geld von Ihnen auf dem Tisch!"

Ich atme durch. Sie labert weiter. So viel und so schnell, dass ich mich am Stuhl festkrallen muss, um nicht meinem Drang, wegzurennen, nachzugeben. Aber ich habe über eine Stunde gewartet, nun schaffe ich das hier auch noch. Sie labert weiter. Die Assistentin, die hinter Frau Doktor steht, zwinkert mir aufmunternd zu. Ich reiße ihr den Zettel aus der Hand und unterschreibe.

"So, Frau Klar, Sie waren ja noch nie hier."
"Doch."
"Aber wir haben ja nichts gemacht."
"Sie haben mich sogar operiert!"
"Habe ich nicht."
"Haben Sie doch!"
"Habe ich nicht."
"Glauben Sie mir, ich erinnere mich an diese OP." (Ich wurde während des chirurgischen Eingriffs ununterbrochen zugetextet und habe mir eine Vollnarkose gewünscht.)
"Aber hier steht doch gar nichts davon!"
"Dann haben Sie es wohl nicht notiert." (Ahhhhhhhh!)
"Ach doch, hier steht es ja, Haha! Wie lustig!"
Echt lustig. Können wir jetzt anfangen?

Sie untersucht mich. Und labert. (Ommmmmmmmmm...)

"So, Frau Klar, haben Sie noch etwas auf dem Herzen?"
Ich bitte um ein Rezept für die Creme, die sie mir beim letzten Mal verschrieben hatte.
"Aber das, was Sie da haben, sieht ja nach etwas ganz anderem aus, nämlich nach laber, laber, laber, und nicht nach laber, laber, laber..."
"Ok, dann hätte ich gern was dagegen."
"Ach, wissen Sie was, ich schreibe Ihnen doch die alte Creme auf. Ist doch sowieso egal. Haha!"
Haha.

Ich hole meine Jacke aus dem Wartezimmer und nicke den wartenden Patienten mitfühlend zu. Sie lächeln zurück. Noch.


Dienstag, 30. Juli 2013

Die Deutsche Rentenversicherung


Tut – tut – tut – tut – tut...

Mehr bekommt man von der Deutschen Rentenversicherung nicht zu hören. Ich zumindest nicht. Mal abgesehen von den ganzen kryptischen Briefen, die sie mir regelmäßig schickt. Und die mir regelmäßig aus der Hand gleiten, weil ich nach dem Lesen der ersten drei Sätze bereits eingeschlafen bin.

Letztens hatte ich aber frei, war ausgeschlafen, hatte kurzzeitig Langeweile und las tatsächlich mal einen dieser Briefe durch. Ganz verstanden habe ich ihn aber nicht. Denn es schrieb mir die Deutsche Rentenversicherung, dass ich doch bitte mal bei der Deutschen Rentenversicherung nachfragen solle, wie das mit meinen Kindererziehungszeiten sei. Hm... Das wäre ja so, als würde ich nicht wissen, wo Timbuktu liegt und mir den Ratschlag geben, mich selbst nach der Antwort zu fragen. Hm.

Die Deutsche Rentenversicherung schrieb, dass sie nicht wisse, aber annähme, dass ich zwei Kinder hätte. Annehmen. Aha. Sie nähme auch an, dass die Kinder im Brief genannte Namen (inklusive Zweitnamen) und Geburtsdaten hätten. Annehmen. Aha. Nahezu hellseherisch, denn die Namen und Daten waren haargenau richtig. Dennoch wisse die Deutsche Rentenversicherung nicht wirklich vom all dem und dies könne zu einem Problem für mich werden.

Aber nett, wie die Deutsche Rentenversicherung ist, nannte sie mir eine Telefonnummer, die ich anrufen durfte, um doof nachzufragen.

Guten Tag, Sie sind mit der Deutschen Rentenversicherung verbunden.“ Tut – tut – tut – tut – tut...

Wie jetzt? Guten Tag sagen und dann gleich tuten? Das muss ein Leitungsfehler sein. Nochmal.

Guten Tag, Sie sind mit der Deutschen Rentenversicherung verbunden.“ Tut – tut – tut – tut – tut...

Charmant. Immerhin sagen sie Guten Tag, bevor sie einen aus der Leitung schmeißen.

Da mir in dem besagten Schreiben gedroht wurde, dass ich vermutlich nur 30 Cents Rente bekommen würde, wenn ich jetzt nicht anriefe, rief ich weiterhin an.

Guten Tag, Sie sind mit der Deutschen Rentenversicherung verbunden.“ Tut – tut – tut – tut – tut...

Das ging noch 37 Mal so. Dann passierte etwas. Ich kam in eine Warteschleife. Mir wurde versprochen, dass der nächste freie Mitarbeiter sich um mich kümmern würde. Ca. 17 Mal wurde mir das versichert, und dann...

Ach nee, doch nicht! Ätsch! Das war wohl nix! Rufen Sie Blödi doch einfach später nochmal an! Hahaha!“ Tut – tut – tut – tut – tut...

Na gut, ganz so unhöflich war die Deutsche Rentenversicherung dann doch nicht, aber zehn Minuten Warteschleife und dann die Bitte, es später noch einmal zu versuchen? Wirklich charmant. Zudem mein geneigter Leser ja bereits weiß, was passiert, wenn ich der Bitte der Deutschen Rentenversicherung nachkomme.

Tut – tut – tut – tut – tut...

Was also tun?

Online! Heute geht doch alles online! Stimmt. Zum Thema Kindererziehungszeiten gibt es ca. 49 Anträge online, denen man ca. 103 Anlagen beifügen muss, damit sie überhaupt angesehen werden. Aber schau: eine Online-Terminvergabe! Fabelhaft fortschrittlich für ein Amt! Also los. 18 Seiten ausfüllen, 17 Mal „weiter“ klicken, ganz ratz-fatz ist man bei der Terminauswahl. Der erste Termin liegt kurz vor Weihnachten. Weihnachten ist in fünf Monaten.

Und dann fiel mir etwas ein. Das kannte ich doch! Das hatte ich doch schon einmal mitgemacht! Mein Hirn weigert sich nur, derartige Absurditäten abzuspeichern – daher musste ich durch diese ganze Prozedur noch einmal durch.

Vor ungefähr drei Jahren hatte ich ein ähnliches Problem. Angeblich sollte ich nur 26 Cents Rente bekommen. Damals hatte ich mich durchgekämpft bis zu einem Termin, der dann vor ca. zwei Jahren stattfand. Was in diesem Termin alles passierte, hätte einen prima eigenen Blogeintrag ergeben, aber ich hatte danach leider keine Kraft mehr zum Schreiben. Aber ich hatte damals wie heute bereits zwei Kinder. Ich habe alles, was man tun kann, um zu beweisen, dass es diese Kinder wirklich gibt, getan (der Beamte hat auf meiner Plazenta bestimmt ein schickes Bäumchen gepflanzt). Und trotzdem weiß die Deutsche Rentenversicherung heute nichts mehr von diesen Kindern. Und darum bekomme ich nur 30 Cents Rente.

Und weil es so ist, wie es ist, vergibt die Deutsche Rentenversicherung auch nur Termine mit mindestens fünf Monaten Vorlaufzeit. Die eine Hälfte der Antragsteller hat bis zum Termin nämlich vergessen, was sie eigentlich wollte, die andere Hälfte ist bis dahin verstorben. Und die Deutsche Rentenversicherung freut sich. Füße hoch! Und den Anrufbeantworter anstellen. Tut – tut – tut – tut – tut...

Donnerstag, 30. August 2012

ROMEO!!!

"ROOOOOOOOOOOMEOOOOOOOO!!!"

Ich zucke zusammen, ein Schauer läuft mir über den Rücken. Ich schaue mich um.
Links: nichts.
Rechts: nichts.
Ich entspanne mich. Die Gänsehaut glättet sich wieder.

"ROOOOOOOOOOMEOOOOOOO!!! NEIN!!!!"
Ich fahre wieder zusammen. Mein Hände krallen sich in den Griff des Einkaufswagens. Die Stimme klingt wie Gargamel aus der Blechbüchse.

"ROOOOOMEOOOOOO!! LASS DAS JETZT!!"

Oh nein. Da ist wieder eine. Eine Ätzmutter. Ich seufze. Man bleibt auch nicht verschont. Die eigenen Kinder sicher im Kindergarten geparkt und froh, dass man mal in Ruhe einkaufen kann. Weit gefehlt. Immer sind die Mütter mit den Romeos schon da.

"ROOOOOMEOOO! KOMM MAL BITTE! ROOOMEOOOO! KOMM DOCH MAL! ROOOMEO! KOMMST DU JETZT BITTE MAL? ROOOOOOMEOOOOOO!"

Diese Mütter schnappen sich nicht einfach ihr Kind und zerren es zur Kasse. Diese Mütter kreischen mit schriller Stimme quer durch den ganzen Laden. Natürlich sind sie dabei betont zuckersüß und übertrieben höflich, denn man ist ja nett zu seinem Kind, ein Vorbild! Und jeder soll das wissen.

Der kleine Romeo, übrigens ein ganz niedlicher kleiner Junge von ca. drei Jahren, hat mittlerweile ein anderes Kind in einem Buggy entdeckt, das eine Flasche Fruchtsaft in den Händen hält. Die beiden kommunizieren mit Blicken und Gesten. Romeo entscheidet, dass er auch gern so eine Flasche Fruchtsaft hätte. Er geht also zum Fruchtsaftregal, nimmt sich eine Flasche und wackelt zu seiner Mutter, um sie ihr zu zeigen.

"ROOOOOMEO! WAS HAST DU DENN DA? NEIN, ROMEO, DAS GEHT NICHT! DU DARFST DOCH NICHT EINFACH DIE FLASCHE NEHMEN, ROMEO! WAS WILLST DU DENN DAMIT, ROMEO? HAST DU ETWA DURST, ROMEO? ROOOMEO!!"

Das Kind im Buggy starrt Romeo entgeistert an. Romeo guckt ratlos.

"SO, ROMEO, JETZT STELLST DU DIE FLASCHE ABER WIEDER ZURÜCK, JA? ROMEO?! STELLST DU FLASCHE BITTE WIEDER ZURÜCK? ROOOOOOOOOOOMEO, STELL DIE FLASCHE WIEDER ZURÜCK INS REGAL!!!! ROMEOOOO!"

Romeo hält die Flasche fest. Ganz fest. Und schüttelt fast unmerklich den Kopf. Der Junge im Buggy hält den Atem an.

"ROOOMEO! ICH HABE GESAGT, DU SOLLST DIE FLASCHE WIEDER INS REGAL STELLEN! SO ETWAS TRINKEN WIR NICHT!!!!"

Nun werden auch die anderen Kunden im Laden aufmerksam. Nachdem sie natürlich zunächst höflich so getan haben, als würden sie die Ätzmutter überhaupt nicht bemerken und sich auf ein leises Stöhnen als Ausdruck ihrer Anstrengung beschränkten, halten sie nun inne, ziehen die Augenbrauen hoch und horchen gespannt.

"ROOOMEO, SOLCHEN SCHUND TRINKEN WIR NICHT! KOMM MAL HER, ROMEO, ICH ZEIGE DIR MAL, WAS WIR GERN TRINKEN. ROOOMEOOOOO, KOMM MAL HEEEER! ROOOMEO!!!"

Romeo krallt sich weiter an seiner Fruchtsaftflasche fest und rührt sich kein Stück.

"ROOOOMEO! JETZT KOMM MAL HER! ROOMEO! MAMI ZEIGT DIR JETZT MAL, WAS WIR GERN TRINKEN. GUCK MAL, HIER! DAS TRINKT MAMI GERN!"

Aha! Mami trinkt so etwas gern. Romeo ist sich allerdings ganz sicher, dass er die bräunliche Bio-Brühe aus der recycelten Flasche nicht haben möchte. Er möchte das quietschgelbe Fruchtsaftgetränk mit dem drolligen Tiger drauf.

"ROMEO! NUN GIB SCHON DIE FLASCHE HER! ROOOMEOOOO! ZEIG MAMI MAL DIE FLASCHE!"

Widerwillig reicht Romeo ihr die bunte Flasche. Das Kind im Buggy guckt bestürzt. Die anderen Kunden im Laden bekunden lautlos ihre Anteilnahme.

Die Ätzmutter studiert die Angaben auf der Flasche und wird blass.

"ROOOMEO!!!! SO ETWAS TRINKEN WIR NICHT!!!!!"

Sie stellt das tödliche Zeug angewidert ins Regal zurück, zerrt ihren Sohn zur Kasse und bezahlt die Dinkelstangen und das Früchtebrot. Romeo schaut die Kassiererin hilfesuchend an. Und sie versteht. Sie zwinkert der älteren Dame, die weiter hinten in der Schlange steht, zu. Die Dame greift in das Süßigkeitenregal und zieht einen knallbunten Lolli hervor. Sie gibt ihn weiter an den Herrn, der vor ihr in der Schlange steht. Der steckt ihn mir zu. Ich gebe ihn dem kleinen Jungen im Buggy. Und während die Verkäuferin ein umständliches Gespräch mit der Ätzmutter anzettelt, wechselt der gesundheitsschädigende Lutscher von einer kleinen Hand in die nächste. Und Romeo strahlt. Aber nur eine Sekunde.

"ROOOMEO!!!!! WAS HAST DU DA?????!"

Die Antwort kommt aus aller Munde, von der älteren Dame, von dem Herrn vor ihr, vom Kind im Buggy, von dessen Mutter, von mir, und sogar von der Angestellten, die ganz hinten im Laden Regale einräumt:

"NICHTS!!!!!!!!!"

Mittwoch, 11. Januar 2012

Sind das Möwen?


Meine Fußgängerzone. Natürlich ist sie nicht meine. Sie gehört meinem Stadtteil. Aber irgendwie ist sie doch meine. Sie ist schraddelig und weitläufig, grau und verbaut, aber dann auch wieder bunt und inspirierend. Zumindest für mich. Und es gibt immer wieder etwas zu erzählen.

Ich liebe meine Fußgängerzone. Sogar die Tauben. So irgendwie. Es gibt gar nicht so viele Tauben in meiner Fußgängerzone. Sie konzentrieren sich eigentlich alle an einer Stelle. Dort, wo die ganze Taubenkacke liegt. Dort, wo man Fußgänger Schlangenlinien laufen sieht, weil sie eben dieser versuchen auszuweichen. Ich bin da nicht so. Ich laufe immer mitten hindurch. Meist knartscht es so lustig, wenn man auf die Kruste tritt, die so aussieht, als könnte sie für Mondoberflächenforscher von großem Interesse sein.

In letzter Zeit sehen die Tauben allerdings gar nicht mehr gut aus. Waren sie vor ein paar Jahren noch fett und selbstbewusst, sieht man jetzt immer mehr halbe Portionen, abgemagerte und zerrupfte Exemplare. Die Zeiten sind halt schlecht. Vor dem Bäcker steht ein 'Wir müssen draußen bleiben'-Schild. Da Tauben schlecht lesen können, muss man im Laden oft den Kopf einziehen, wenn mal wieder eine legasthenische Taube im Tiefflug Krumen zu erhaschen versucht. Die Bäckereifachverkäufer haben bereits eine beachtliche Hornhaut an den Schläfen entwickelt. Manche durch infizierte Taubenkrallen verursachte Furche sieht aus wie ein Schmiss. Die zählen schon was in der Bäckerinnung. Neukunden entwickeln allerdings eine gewisse Nervosität ob des Taubenverkehrs. Ich komme klar. Als Mutter kleiner Kinder kann man Geschossen blitzschnell aus dem Weg gehen. Bauklotz oder Taubenschiss, Fingernagel oder Vogelkralle, ist da egal.

Die Kinder sind natürlich auch nicht gut zu den Tauben. Mit ihren Laufrädern fahren sie johlend quer über den Platz, direkt in die vor sich hin dösende Menge. Dann versuchen sie, von mit dem Krückstock fuchtelnden Opas angestachelt, den Geschöpfen auf die Schwänze zu treten. Die halben Portionen kommen nie schnell genug weg. Wenn sie Glück haben, werden sie von einer ihrer fetten, schwerfällig hoch hüpfenden Schwestern geschützt. Wenn nicht, schmücken ihre Hinterfedern schon bald drollige Knetfiguren oder Muttis Bild zum Namenstag.

Sowieso hat niemand mehr Respekt vor den Tauben. Während ich meiner Familie versuche beizubringen, dass die Würde jedes gemeinen Vogels unantastbar sein sollte, kommt das Kusch-kuschen ganz groß in Mode. Aber mir hört ja sowieso niemand zu. Mein Kleinkind fragt immer, ja jedes Mal, wenn wir am Taubenplatz vorbeikommen: „Sind das Möwen?“ Aber ich werde nicht müde, mit Nachsicht in der Stimme, zu sagen: „Nein, mein Kind, das sind Tauben.“ Die Tauben in meiner Fußgängerzone.


Dienstag, 11. Oktober 2011

Wie im wahren Leben.


Letztens im Kleinkind-Café. Das Kleinkind setzt Wasser auf und rührt Kakao an. Das Kleinstkind kommt.

Kleinkind:     „Willst Du heiße Schokolade? Mit Sahne oder ohne?“

Kleinstkind:   [guckt]

Kleinkind:     „Willst Du heiße Schokolade? Mit Sahne oder ohne?“

Kleinstkind:   [guckt, als wolle es sagen: „Ich kann doch erst Ein-Wort-Sätze!"]

Kleinkind:     „Mit Sahne?“

Kleinstkind:  „Ja!“

Kleinkind:     „Aber mit Sahne ist nur für Große! Ohne Sahne?“

Kleinstkind:   [schüttelt den Kopf]

Kleinkind:     „Aber mit Sahne ist nur für Groooße!!! Ohne Sahne???“

Kleinstkind:   [schüttelt den Kopf]

Kleinkind:     „Dann ist jetzt zu!“