Donnerstag, 14. November 2013

Arztpraxis der Hölle.

Möbel vom Sperrmüll. Plastikblumen, leicht verschossen. Eine Wanduhr im Dartscheibendesign, die zu laut tickt. Bilder von Wunden an den Wänden. Hysterische Diskussionen zwischen Ärztin und Sprechstundenhilfe quer durch die Praxis. Ich sitze im Wartezimmer der Hölle.

Mein Termin war vor über einer Stunde. Leute, die grußlos kommen und gehen. Ich weiß nicht, ob sie in Sprechzimmern verschwinden oder sich in Luft auflösen. Überall hängen Zettel, auf denen steht, dass ein Termin nicht bedeutet, dass man nicht warten muss. Selbst wenn man der erste Patient des Tages ist, muss man warten. Man muss ja genügend Zeit haben, all die appetitverderbenden Broschüren zu lesen, die ausliegen. Zeitschriften gibt es nicht. Doch, ein Benjamin-Blümchen-Heft von 2003.

Ein Herr fragt nach, warum es so lange dauert. Er wird niedergeredet und dann aufgefordert, sich bei der Ärztin zu beschweren. Als er das tut, wird er nochmal mit Worten zerschmettert. Die Frau redet wie eine Maschinenpistole, laut und schneller als man zuhören kann. Er kommt mit großen Augen zurück ins Wartezimmer und fragt leise: "Wollen wir alle gleichzeitig gehen?" Ich will gerade zustimmen, als ich ein lautes Schnarren höre.

Obwohl die Anmeldung nur einen Meter entfernt ist, werde ich per Lautsprecher aufgerufen. Wie die Engel von Charlie.

"Tach, Frau Klar."
"Kler."
"So, Frau Klar.... laber, laber laber...."
"Kler."
"Frau Klar, waren Sie schon mal bei uns?"
"Ja." (Leider.)
"Ah ja, ich sehe, dass Sie 2009 bei Frau Dr. Dingsbums waren und dann zu uns gekommen sind. Laber, laber, laber. Aber wir haben ja gar nichts gemacht!"
"Doch."
"Nein!"
"Doch."
"Ach ja, Sie müssen das hier unterschreiben, während ich mich mal einlese." (Einlaber, meint sie wohl.)
Ich lese.
Sie labert mich voll, warum ich das unterschreiben muss, obwohl ich es ja eigentlich doch nicht unterschreiben müsste, aber sie muss das nochmal checken, aber doch, ach nee, doch nicht, also das versteht sie nicht... Sie drückt auf den Knopf und wird zu Charlie:
"Frau DINGS!!!?"
"Ja?"
"Wie sind Sie denn auf die dusselige Idee gekommen, Frau Klar diesen Zettel hinzulegen?"
"Kler."
"Das war doch total schwachsinnig!"
Engel Dings murmelt was durch die Leitung.
"Ach, so. Dann ist es ja gut. Also, Frau Klar, unterschreiben!"
"Kler. Ich unterschreibe hier also, dass ich 10 Euro zuzahle?"
"Das weiß ich nicht, ob Sie 10 Euro zuzahlen!"
"Wie bitte?"
"Das weiß ich doch nicht, ob Sie 10 Euro zuzahlen. Bisher sehe ich hier noch kein Geld von Ihnen auf dem Tisch!"

Ich atme durch. Sie labert weiter. So viel und so schnell, dass ich mich am Stuhl festkrallen muss, um nicht meinem Drang, wegzurennen, nachzugeben. Aber ich habe über eine Stunde gewartet, nun schaffe ich das hier auch noch. Sie labert weiter. Die Assistentin, die hinter Frau Doktor steht, zwinkert mir aufmunternd zu. Ich reiße ihr den Zettel aus der Hand und unterschreibe.

"So, Frau Klar, Sie waren ja noch nie hier."
"Doch."
"Aber wir haben ja nichts gemacht."
"Sie haben mich sogar operiert!"
"Habe ich nicht."
"Haben Sie doch!"
"Habe ich nicht."
"Glauben Sie mir, ich erinnere mich an diese OP." (Ich wurde während des chirurgischen Eingriffs ununterbrochen zugetextet und habe mir eine Vollnarkose gewünscht.)
"Aber hier steht doch gar nichts davon!"
"Dann haben Sie es wohl nicht notiert." (Ahhhhhhhh!)
"Ach doch, hier steht es ja, Haha! Wie lustig!"
Echt lustig. Können wir jetzt anfangen?

Sie untersucht mich. Und labert. (Ommmmmmmmmm...)

"So, Frau Klar, haben Sie noch etwas auf dem Herzen?"
Ich bitte um ein Rezept für die Creme, die sie mir beim letzten Mal verschrieben hatte.
"Aber das, was Sie da haben, sieht ja nach etwas ganz anderem aus, nämlich nach laber, laber, laber, und nicht nach laber, laber, laber..."
"Ok, dann hätte ich gern was dagegen."
"Ach, wissen Sie was, ich schreibe Ihnen doch die alte Creme auf. Ist doch sowieso egal. Haha!"
Haha.

Ich hole meine Jacke aus dem Wartezimmer und nicke den wartenden Patienten mitfühlend zu. Sie lächeln zurück. Noch.


Dienstag, 30. Juli 2013

Die Deutsche Rentenversicherung


Tut – tut – tut – tut – tut...

Mehr bekommt man von der Deutschen Rentenversicherung nicht zu hören. Ich zumindest nicht. Mal abgesehen von den ganzen kryptischen Briefen, die sie mir regelmäßig schickt. Und die mir regelmäßig aus der Hand gleiten, weil ich nach dem Lesen der ersten drei Sätze bereits eingeschlafen bin.

Letztens hatte ich aber frei, war ausgeschlafen, hatte kurzzeitig Langeweile und las tatsächlich mal einen dieser Briefe durch. Ganz verstanden habe ich ihn aber nicht. Denn es schrieb mir die Deutsche Rentenversicherung, dass ich doch bitte mal bei der Deutschen Rentenversicherung nachfragen solle, wie das mit meinen Kindererziehungszeiten sei. Hm... Das wäre ja so, als würde ich nicht wissen, wo Timbuktu liegt und mir den Ratschlag geben, mich selbst nach der Antwort zu fragen. Hm.

Die Deutsche Rentenversicherung schrieb, dass sie nicht wisse, aber annähme, dass ich zwei Kinder hätte. Annehmen. Aha. Sie nähme auch an, dass die Kinder im Brief genannte Namen (inklusive Zweitnamen) und Geburtsdaten hätten. Annehmen. Aha. Nahezu hellseherisch, denn die Namen und Daten waren haargenau richtig. Dennoch wisse die Deutsche Rentenversicherung nicht wirklich vom all dem und dies könne zu einem Problem für mich werden.

Aber nett, wie die Deutsche Rentenversicherung ist, nannte sie mir eine Telefonnummer, die ich anrufen durfte, um doof nachzufragen.

Guten Tag, Sie sind mit der Deutschen Rentenversicherung verbunden.“ Tut – tut – tut – tut – tut...

Wie jetzt? Guten Tag sagen und dann gleich tuten? Das muss ein Leitungsfehler sein. Nochmal.

Guten Tag, Sie sind mit der Deutschen Rentenversicherung verbunden.“ Tut – tut – tut – tut – tut...

Charmant. Immerhin sagen sie Guten Tag, bevor sie einen aus der Leitung schmeißen.

Da mir in dem besagten Schreiben gedroht wurde, dass ich vermutlich nur 30 Cents Rente bekommen würde, wenn ich jetzt nicht anriefe, rief ich weiterhin an.

Guten Tag, Sie sind mit der Deutschen Rentenversicherung verbunden.“ Tut – tut – tut – tut – tut...

Das ging noch 37 Mal so. Dann passierte etwas. Ich kam in eine Warteschleife. Mir wurde versprochen, dass der nächste freie Mitarbeiter sich um mich kümmern würde. Ca. 17 Mal wurde mir das versichert, und dann...

Ach nee, doch nicht! Ätsch! Das war wohl nix! Rufen Sie Blödi doch einfach später nochmal an! Hahaha!“ Tut – tut – tut – tut – tut...

Na gut, ganz so unhöflich war die Deutsche Rentenversicherung dann doch nicht, aber zehn Minuten Warteschleife und dann die Bitte, es später noch einmal zu versuchen? Wirklich charmant. Zudem mein geneigter Leser ja bereits weiß, was passiert, wenn ich der Bitte der Deutschen Rentenversicherung nachkomme.

Tut – tut – tut – tut – tut...

Was also tun?

Online! Heute geht doch alles online! Stimmt. Zum Thema Kindererziehungszeiten gibt es ca. 49 Anträge online, denen man ca. 103 Anlagen beifügen muss, damit sie überhaupt angesehen werden. Aber schau: eine Online-Terminvergabe! Fabelhaft fortschrittlich für ein Amt! Also los. 18 Seiten ausfüllen, 17 Mal „weiter“ klicken, ganz ratz-fatz ist man bei der Terminauswahl. Der erste Termin liegt kurz vor Weihnachten. Weihnachten ist in fünf Monaten.

Und dann fiel mir etwas ein. Das kannte ich doch! Das hatte ich doch schon einmal mitgemacht! Mein Hirn weigert sich nur, derartige Absurditäten abzuspeichern – daher musste ich durch diese ganze Prozedur noch einmal durch.

Vor ungefähr drei Jahren hatte ich ein ähnliches Problem. Angeblich sollte ich nur 26 Cents Rente bekommen. Damals hatte ich mich durchgekämpft bis zu einem Termin, der dann vor ca. zwei Jahren stattfand. Was in diesem Termin alles passierte, hätte einen prima eigenen Blogeintrag ergeben, aber ich hatte danach leider keine Kraft mehr zum Schreiben. Aber ich hatte damals wie heute bereits zwei Kinder. Ich habe alles, was man tun kann, um zu beweisen, dass es diese Kinder wirklich gibt, getan (der Beamte hat auf meiner Plazenta bestimmt ein schickes Bäumchen gepflanzt). Und trotzdem weiß die Deutsche Rentenversicherung heute nichts mehr von diesen Kindern. Und darum bekomme ich nur 30 Cents Rente.

Und weil es so ist, wie es ist, vergibt die Deutsche Rentenversicherung auch nur Termine mit mindestens fünf Monaten Vorlaufzeit. Die eine Hälfte der Antragsteller hat bis zum Termin nämlich vergessen, was sie eigentlich wollte, die andere Hälfte ist bis dahin verstorben. Und die Deutsche Rentenversicherung freut sich. Füße hoch! Und den Anrufbeantworter anstellen. Tut – tut – tut – tut – tut...