Donnerstag, 30. Juni 2016

Mutti hilft. Hilft nix.

Heute früh hatte ich ein komisches Gefühl. Ich habe mich auf die Bundesjugendspiele gefreut. Zum ersten Mal. Nun gut, es waren ja auch nicht meine eigenen, sondern die meiner Tochter. Meine eigenen habe ich gehasst. Ich gehörte nämlich zu den armseligen Kindern, die immer als vorletzte in die von kruden Mitschülern zu bildenden Mannschaften gewählt wurden. Wenn meine beste Freundin krank war, sogar als letzte. Ich konnte nur so weit werfen wie ein Igel und springen wie ein Regenwurm. Nur im Laufen war ich fix. Aber eine Ehrenurkunde habe ich keine in meiner Erinnerungskiste. Übrigens eine Tatsache, die den werten Mann sehr verblüfft. "Wie kann man denn keine Ehrenurkunde schaffen?! - Oh, aber ist ja auch gar nicht so wichtig..."

Wie auch immer. Mittlerweile bin ich in dem Alter, um als Helfermutti bei den Bundesjugendspielen dabei sein zu können. Romantische Vorstellungen von jubelnden, sich gegenseitig anfeuernden Kindern, die mit geröteten Wangen und voller Stolz über den Sportplatz fliegen. Erwachsene, die sich die Hand reichen und die Schüler gemeinsam zu Höchstleistungen anspornen. Ich bin ja auch blöd manchmal. Denn natürlich gibt es diese Szenen. Aufgeregte Erstklässler, motivierte Zweitklässler, ambitionierte Drittklässler und schon fast arrogante Viertklässler. Aber es gibt auch andere Szenen. Und Helfereltern. Und die gab es damals noch nicht.

Früher gab es einen Lehrer für "Achtung, fertig, los!" und einen für "9,3" oder "2,79". Heute gibt es zusätzlich noch drei bis sieben Elternteile pro Station, die ebenfalls Aufgaben erfüllen möchten. Ich zumindest. Daher kam ich auch hoch motiviert und pünktlich zum Treffpunkt. Ich hatte mir ein Schul-Shirt von der Tochter geliehen (dank amerikanischer Größen passe ich doch tatsächlich in die Größe "9-11 Jahre") und die alte Regenjacke des Mannes mit "Jugend trainiert für Olympia"-Aufdruck. Dazu meine schnellsten Schuhe. Ich sah aus wie verkleidet. Keiner trug Sportzeug, einige trugen Röckchen, viele Regenschirme. 

Abgehetzt kam ich auf die Minute pünktlich auf den Sportplatz, um dann 50 (fünfzig!) Minuten herumzustehen. Alle standen herum. Einige hatten sich Thermoskannen und kleine Windbeutel mitgebracht. "Käffchen?" 

Nun muss man wissen, dass ich, was solche Veranstaltungen angeht, ein Freak bin. Organisiert, vorbereitet, herrisch. Aber dies war ja nicht meine Veranstaltung, daher war ich ruhig. Äußerlich. Es trudelten die Kinder ein und stellten sich auf. Die Stationen waren unbesetzt. Keiner tat etwas und es schien auch niemanden zu stören. Ich fragte nun jemanden, den ich für kompetent hielt, was ich denn tun könne. Ich bekam als Antwort: "SIE wollen helfen?" ... (Nein, ich laufe immer so verkleidet herum und liebe es, frühmorgens 50 Minuten herumzustehen und Windbeutel zu fressen! Natürlich will ich helfen!!) Ich bekam also zusammen mit einer anderen Mutter eine Aufgabe zugeteilt. Eine weitere Mutter wollte aber nicht von dieser Mutter getrennt werden (vermutlich haben die beiden schon im Sandkasten zusammen mit Windbeuteln geschmissen). Also gab ich meine Aufgabe wieder ab und erhielt eine andere. Hauptsache, es ging los.

Ich wurde als Zielweibchen beim 50m-Lauf eingeteilt. Ich stand hinter der Ziellinie und lockte die Kinder heran. Ich gab alles, motivierte, brüllte, klatschte. Ich war gut. Und relativ unnötig. Aber diese Position gab mir die Chance, in die Gesichter der Grundschüler zu schauen. Und das war schön. Von der großen Freude über zwei gewonnene Millisekunden bis zur Verzweiflung, weil man auf der Strecke einen Schuh verloren hatte. Gesichtsausdrücke, die ich gern mit der Kamera festgehalten hätte. Aber das hätte ja gestört. Nicht, dass das andere Eltern davon abgehalten hätte, sich genau auf die Ziellinie zu stellen, um ihren Nachwuchs beim großen Lauf zu filmen und den entsetzten Kindern eine miese Zeit zu bescheren, weil diese sich nicht trauten, ihre Eltern über den Haufen zu rennen. Natürlich gab es auch Eltern, die ihre Kinder anhielten, quer über die Rennbahn zu laufen, um Jacke, Massage und nassen Kuss in Empfang zu nehmen. Und die mich gereizt ansahen, wenn ich mein "RUNTER VON DER BAHN!" einen Hauch zu laut brüllte. Wie gesagt, ich bin ein Freak.

Vielleicht kann ich mich nächstes Jahr als Schreiberling einteilen lassen. Die Diskussionen, warum die Kinder denn nicht in der Reihenfolge liefen, in der die Zettel im Mäppchen abgeheftet waren, fand ich nach dem neunten Mal dann doch etwas müßig. Jung-Lehrer (die Kinder sollen mit dem Partner zusammen laufen, der sie am besten laufen lässt) gegen Alt-Lehrer ("Dann muss ich ja blättern! So geht das nicht!"). Puh.

Am Ende wusste keiner mehr, wo er eigentlich hin sollte und alle liefen bunt durcheinander. Und letztendlich war es doch ganz schön. Es gab gesponsorte Sport-Shirts für die Kinder und ein Pausenbuffet. Das hätte ich mir zu meiner Schulzeit nicht träumen lassen. Nächstes Jahr werde ich meine Zwanghaftigkeit einfach zuhause lassen und stattdessen eine Portion Omm sowie eine Thermoskanne Kräutertee einpacken. Und eine gewisse Offenheit. Dann wird es sicher wieder ein schönes Fest.


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