Meine
Fußgängerzone. Natürlich ist sie nicht meine. Sie gehört meinem
Stadtteil. Aber irgendwie ist sie doch meine. Sie ist schraddelig und
weitläufig, grau und verbaut, aber dann auch wieder bunt und
inspirierend. Zumindest für mich. Und es gibt immer wieder etwas zu
erzählen.
Ich
liebe meine Fußgängerzone. Sogar die Tauben. So irgendwie. Es gibt
gar nicht so viele Tauben in meiner Fußgängerzone. Sie
konzentrieren sich eigentlich alle an einer Stelle. Dort, wo die
ganze Taubenkacke liegt. Dort, wo man Fußgänger Schlangenlinien
laufen sieht, weil sie eben dieser versuchen auszuweichen. Ich bin da
nicht so. Ich laufe immer mitten hindurch. Meist knartscht es so
lustig, wenn man auf die Kruste tritt, die so aussieht, als könnte
sie für Mondoberflächenforscher von großem Interesse sein.
In
letzter Zeit sehen die Tauben allerdings gar nicht mehr gut aus.
Waren sie vor ein paar Jahren noch fett und selbstbewusst, sieht man
jetzt immer mehr halbe Portionen, abgemagerte und zerrupfte
Exemplare. Die Zeiten sind halt schlecht. Vor dem Bäcker steht ein
'Wir müssen draußen bleiben'-Schild. Da Tauben schlecht lesen
können, muss man im Laden oft den Kopf einziehen, wenn mal wieder
eine legasthenische Taube im Tiefflug Krumen zu erhaschen versucht.
Die Bäckereifachverkäufer haben bereits eine beachtliche Hornhaut
an den Schläfen entwickelt. Manche durch infizierte Taubenkrallen
verursachte Furche sieht aus wie ein Schmiss. Die zählen schon was
in der Bäckerinnung. Neukunden entwickeln allerdings eine gewisse
Nervosität ob des Taubenverkehrs. Ich komme klar. Als Mutter kleiner
Kinder kann man Geschossen blitzschnell aus dem Weg gehen. Bauklotz
oder Taubenschiss, Fingernagel oder Vogelkralle, ist da egal.
Die
Kinder sind natürlich auch nicht gut zu den Tauben. Mit ihren
Laufrädern fahren sie johlend quer über den Platz, direkt in die
vor sich hin dösende Menge. Dann versuchen sie, von mit dem
Krückstock fuchtelnden Opas angestachelt, den Geschöpfen auf die
Schwänze zu treten. Die halben Portionen kommen nie schnell genug
weg. Wenn sie Glück haben, werden sie von einer ihrer fetten,
schwerfällig hoch hüpfenden Schwestern geschützt. Wenn nicht,
schmücken ihre Hinterfedern schon bald drollige Knetfiguren oder
Muttis Bild zum Namenstag.
Sowieso
hat niemand mehr Respekt vor den Tauben. Während ich meiner Familie
versuche beizubringen, dass die Würde jedes gemeinen Vogels
unantastbar sein sollte, kommt das Kusch-kuschen ganz groß in Mode.
Aber mir hört ja sowieso niemand zu. Mein Kleinkind fragt immer, ja
jedes Mal, wenn wir am Taubenplatz vorbeikommen: „Sind das Möwen?“
Aber ich werde nicht müde, mit Nachsicht in der Stimme, zu sagen:
„Nein, mein Kind, das sind Tauben.“ Die Tauben in meiner
Fußgängerzone.
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