Habt
ihr euch schon einmal gefragt, warum Mütter mit Kinderwagen oft so
verbissen gucken? Es gibt Gründe.
Die
modernen Kinderwagen sind ja super. Wendig, schmal, schnell, drehen
auf dem Teller. Leider können sie noch keine Türen öffnen. Das ist
schlecht. Denn Türen gibt es überall. Und Stufen. Aber davon will
ich heute mal nicht reden.
Vor
kurzem erzählte mir ein Freund von seinen Erfahrungen als Papa in
Elternzeit. Unter anderem lobte er seine Mitmenschen, die ihm schon,
bevor er überhaupt darüber nachdenken kann, ob er eventuell Hilfe
benötigen könnte, seinen Kinderwagen aus dem Bus hieven. Dieser
Freund wohnt allerdings nicht in Hamburg. In Hamburg ist mir so etwas
noch nie passiert. Vielleicht liegt es daran, dass ich kein Mann bin,
also kein armer Vater, der es ja schließlich nicht besser kann, weil
er hormonell anders programmiert ist und dem man einfach helfen muss.
Vielleicht liegt es auch an den gestressten Großstadtmenschen. Auf
jeden Fall mangelt es an Manieren.
Jedes
Mal, wenn ich ins Einkaufszentrum gehe, hoffe ich inständig, die
Türen würden aufgrund ausreichend hoher Außentemperaturen offen
stehen. Sind sie zu, komme ich nicht rein. Ist so ähnlich wie bei der Post, nur schlimmer.
Hektische Leute drängeln sich ameisengleich durch die Türen, stoßen
mit Ellenbogen in die Seiten der Nebenbuhler, stolpern übereinander.
Ich bleibe mit meiner Doppelkinderkarre stehen und staune. Versuche
ich, einen Slot abzupassen, um mich doch todesmutig durch die gerade
noch frei schwingende Tür zu schlängeln, werde ich von weiteren
Ellenbogen beiseite gestoßen. Ab und zu fallen Menschen über meinen
Kinderwagen, schlagen lang hin. Ich helfe ihnen selbstverständlich
auf, aber sie schütteln mich ab wie ein ekliges Tier und werfen sich
vor mir durch die Tür.
Ich
schöpfte wieder Hoffnung, als ich eines Tages einen Knopf mit
Rollstuhlsymbol an einer Tür entdeckte. Wenn man ihn drückt,
schwenkt die Tür auf wundersame und wundervolle Weise von selbst
auf. Dummerweise ist dieser Knopf aber an der, von außen kommend,
LINKEN Tür angebracht. Und gute Deutsche mögen zwar in einiger
Hinsicht unhöflich sein, aber sie sind korrekt genug, um
selbstverständlich ausschließlich RECHTS ins Einkaufszentrum
einzutreten. Ich war dennoch optimistisch genug, mich draußen
anzustellen und ein Loch in der Schlange heraus strömender Personen
abzuwarten. Dann schob ich forsch und flink durch die Tür. Ich hatte
noch nicht einmal das Vorderrad im Zentrum, da wurde ich schon
angepöbelt. Eine Traube Mitmenschen baute sich vor mir auf und
versperrte mir den Weg, Arme verschränkt und mit bitterbösem Blick.
Echauffierte Omas zischten mir ein „Das ist ja unmöglich!“ zu.
Andere tönten: „Die denkt wohl, die kann sich alles erlauben!“
Nun
sollte man denken, dass sich wenigstens Mütter untereinander
solidarisieren. Nein. Durch die Tür können sie einem nicht helfen,
denn sie haben genug damit zu tun, sich selbst hindurch zu bugsieren.
Sind sie aber einmal drin, schieben sie grundsätzlich zu fünft
nebeneinander durchs Einkaufszentrum. Ein schlanker Single kann sich
vielleicht noch an der Mauer vorbei schlängeln, eine weitere Mutter
mit Kinderwagen kann nur höflich fragen, ob sie vielleicht
durchgelassen werden könnte. Aber eigentlich hören Mütter so etwas
nicht, weil sie zu sehr damit beschäftigt sind, sich über die
verschiedenen Formen von Dinkelgebäck oder die Vor- und Nachteile
von Tagesmüttern auszutauschen.
Ganz
durchdacht ist auch das kürzlich erlassene Verbot, mit Kinderwagen
die Rolltreppen zu benutzen. In einem mehrgeschossigen
Einkaufszentrum ist man also auf die Fahrstühle angewiesen. Nun ist
es in Altona nicht so, dass man mehrere Großraumaufzüge
nebeneinander hat. Nein, es gibt eine kleine Anzahl sehr kleiner,
wenn auch durchdesignter Fahrstühle aus Glas, die unterschiedliche
Ebenen und Ecken des Einkaufszentrum anfahren. Man ist also
grundsätzlich immer im falschen Aufzug, weil der, in dem man sich
befindet, nicht dort hält, wo man hin möchte. Aber gut, das kann
man lernen. Ich weiß also mittlerweile, dass ich nur diesen einen
Fahrstuhl nehmen darf, um zum Beispiel in die Bücherei zu gelangen.
Also stelle ich mich in die Schlange vor dem Fahrstuhl. Mütter mit
Kinderwagen, alle mit leicht unentspanntem Gesicht, Omis mit
Gehwägelchen, ein paar Hundebesitzer und Jugendliche. Ja,
Jugendliche.
Nach
20 Minuten habe ich also einen Platz im Fahrstuhl ergattert,
eingequetscht zwischen zwei anderen Kinderwagen, drei Hunden und drei
Krückstöcken. Der, der ganz hinten steht, will immer zuerst raus.
Und der Fahrstuhl fährt immer erstmal nach ganz unten, obwohl alle
nach oben wollen. Auf dem Weg nach oben hält er in jedem Stockwerk,
auch, wenn niemand aus- oder einsteigen möchte. Eine Reise in den
dritten Stock dauert also ewig.
Auf
dem Rückweg muss man die gleiche Prozedur noch einmal mitmachen. Ich
stehe als Nummer 3 in der Schlange der Kinderwagen vor dem Fahrstuhl.
Im ersten Anlauf kommt nur Wagen Nummer 1 mit, weil der Fahrstuhl
bereits voll besetzt ist. Im zweiten Anlauf schöpfe ich Hoffnung,
der Fahrstuhl ist leer. Wagen Nummer 2 schiebt hinein. Ich will
hinterher, werde aber plötzlich von einem gellenden Schrei gestoppt:
„MAMMMAAAAAAAAAA. KOMMMMMM!!!! DER FAAAAHRSTUHL IST DAAAAAAA!“
Ich werde mit aller Wucht beiseite gestoßen. Während ich mich
wieder aufrappele, sehe ich einen ca. 12-jährigen Jungen, der sich
breitbeinig in die Tür des Fahrstuhls stellt und die Türen aufhält.
Für mich? Nein. „ICH KOMM JA SCHON!!!“ kreischt eine Frau
entnervt und hetzt auf die Tür zu. Ich stehe im Weg. Nicht lange,
denn auch sie schubst mich mit aller Kraft beiseite. Diesmal kann ich
mich gerade noch am Kinderwagen festhalten und falle nicht um.
Dennoch schaffe ich es noch in den Fahrstuhl. Im nächsten Stockwerk
möchte die Mutter mit Kinderwagen Nummer 2 aussteigen. Ich mache ihr
Platz, das Teenage-Gör und seine Mutter stöhnen genervt. Die Tür
geht wieder zu. Die Görenmutter verdreht die Augen und sagt: „Also
für dieses eine Stockwerk hätten die ja wohl auch die Rolltreppe
benutzen können!“ Um dann selbst im nächsten Stockwerk
auszusteigen.
Letztens
war ich aber auch einmal ganz allein im Fahrstuhl. Unheimlich. Doch
dann stieg doch noch eine Dame zu. Nett sah sie aus. Sie grüßte
sogar. Und dann studierte sie die Knöpfe. Ganz in Ruhe und
nachdenklich. Drückte die 1. Dann die 2. Dann die 3. Und die 4.
Natürlich waren wir auf Ebene 0 und ich wollte in Ebene 5. Ich
starrte sie also ungläubig an. Sie merkte es, lächelte etwas
unsicher und sagte: „Entschuldigen Sie bitte, aber ich bin nicht
aus Hamburg.“ Naja, vielleicht ist sie ja aus der Stadt, aus der
mein Freund, der Vater in Elternzeit kommt. Zumindest hielt sie für
mich beim Aussteigen die Hand vor die Lichtschranke.