Die Post in meiner Fußgängerzone liegt im Hochparterre und hat eine breite, fast herrschaftliche Treppe. Und einen winzigen Nebeneingang mit einem Miniaturfahrstuhl. Als Mutter mit Doppelkinderwagen muss ich diesen Zugang wählen, denn starke Männer, die einem die Karre die Treppen hoch schleppen, gibt es nicht mehr. Nur noch Ausreden. Und ja auch diesen Fahrstuhl.
Zunächst muss man an dem Bettler vorbei, der genauso breit ist wie die Tür. Seinen Stock stellt er zusätzlich quer in den Weg. Eigentlich will er mich nicht durchlassen, aber sobald ich ein umständliches Gespräch mit ihm anzettele, geht er zur Seite und winkt mich galant durch. Er murmelt noch etwas, aber ich verstehe ihn nicht. Der Fahrstuhl-Vorraum ist gerade groß genug für meinen Doppelkinderwagen und mich. Klaustrophobisch. Die Automatiktür geht hinter mir zu, die Fahrstuhltür aber noch lange nicht auf. Der Fahrstuhl ist der langsamste in ganz Altona. Die Türen gehen in Zeitlupe auf, haken zwischendurch ein wenig und jedes Mal fahre ich mit der Karre gegen den Türrahmen, weil ich zu ungeduldig bin. Die schwarzen Reifenspuren da unten, die sind von mir. Der Fahrstuhl ist ebenfalls gerade groß genug für meinen Kinderwagen und mich. Klaustrophobisch. Nun geht die Fahrstuhltür hinter mir nicht zu. Ich mache mich dünner und dünner, um der Lichtschranke zu entkommen. Noch dünner. Hhhhhmpf... Luft anhalten. Ich drücke den 'Nach oben'-Knopf, der schon halb aus seiner Halterung gerissen wurde (ich will nicht wissen, von wem und warum) wieder und wieder. Man muss nur den richtigen Punkt treffen, damit der Kontakt ausgelöst wird. Denke ich. Ich mache mich noch dünner. Dann endlich schließt sich die Tür holperig hinter mir. Das Kleinkind freut sich fürchterlich. Wir fahren! Es zeigt gegen die Decke. Sie ist verspiegelt. Wir sehen uns. Warum ist die Decke in einem Post-Fahrstuhl verspiegelt? Was passiert hier nach Feierabend? Ich will es wieder nicht wissen. Ein Stockwerk und gefühlte acht Minuten später sind wir oben. Die Tür rumpelt, ich atme auf.
Nun ist da diese Doppeltür aus Glas. Im Sommer wird sie aufgehalten von einer leeren, aber ungereinigten Bratwurstverpackung. Ist wohl bei der letzten Betriebsfeier liegen geblieben und erweist sich nun als praktischer Dienstleister für Mütter mit großen Kinderwagen. Oft ist die Tür aber auch geschlossen und ich stehe vor der nächsten Herausforderung. Obwohl die Schlange der Wartenden vor den Schaltern eigentlich immer, immer, bis zur Tür geht, macht sie niemand für mich auf. Obwohl mich spätestens nach einer Minute alle hören, weil der Kinderwagen so laut gegen den Türrahmen knallt, macht sie niemand für mich auf. Stattdessen werde ich aus leeren Gesichtern angeglotzt. Wer randaliert denn hier so? Ich versuche zunächst, die Tür mit der Karre aufzustoßen. Geht nicht. Dann lehne ich mich vor, stoße sie mit der Hand auf und hoffe, dass sie nicht zu schnell wieder zufällt. Sie fällt zu schnell wieder zu. Ich entschuldige mich beim vorn sitzenden Kind. Ich drehe den Kinderwagen um, schiebe die Tür mit meinem Hintern auf und versuche, die Karre hinter mir her zu ziehen. Die Tür ist schmal. Natürlich dreht sich die schnittige Sportkarre um die eigene Achse und rasselt gegen den Türrahmen. Schon wieder. Ich kämpfe, ich fluche, aber sieben blaue Flecken später bin ich durch. Ich entschuldige mich nicht bei der am Schluss der Schlange stehenden Person dafür, dass ich sie im Eifer des Gefechts geschubst habe, auch wenn sie mich noch so vorwurfsvoll anschaut. 'Mütter!' steht in ihrem Blick geschrieben. 'Dumme Kuh!' in meinem.
Mir ist warm. Ich warte. Die Schlange ist lang. Ich studiere die Quengelware entlang des Ganges. Tesafilm, Ringbuchordner mit Pferdemotiven, Geschenkgutscheine für die Drogerie, wie praktisch. Ich warte. Hinter mir stehen weitere Personen, die auch warten. Viele Personen. Wir dösen vor uns hin. Plötzlich fragt mich die Frau hinter mir: „Stehen Sie auch an?“ Ich frage mich, wo bin ich? Ist dies ein Paralleluniversum? Nein, ich stehe hier nur so herum, weil die Luft hier so gut ist und die Architektur so inspirierend. Außerdem renoviere ich gerade zu Hause und wollte mir mal ansehen, wie die das hier mit dem Linoleumboden gelöst haben. Mir fällt nichts mehr ein. Ich seufze, schweige, warte.
Endlich bin ich Erste in der Schlange. Unruhig schaue ich von links nach rechts, von rechts nach links, um bloß rechtzeitig den nächsten freien Schalter zu erspähen. Geht der Typ? Ach nee, der muss nur noch seinen Absender auf sein Einschreiben setzen. Oh, die Dame dort ist fertig! Ach nee, doch noch was vergessen. Dann ist ein Schalter frei, aber der Postangestellte hantiert ganz gemächlich hinter der mobilen Trennwand herum, sucht noch was, kommt zurück (ich setze zum Start an), dreht wieder um (ich stoppe ab), verschwindet im Hinterzimmer, stempelt was ab, kratzt sich. Ich lasse meine Augen zur Decke wandern. Just in dem Moment ertönt die ungeduldige Stimme des Postbeamten: „Der Nächste!“
Ich bin erleichtert, erledige den Papierkram, verabschiede mich freundlich und schiebe meine Karre zurück zur verschlossenen Glastür, hinter der der Fahrstuhl ist, hinter dem die Automatiktür ist, vor dem der Bettler steht. Aber ab und zu muss man halt mal zur Post.
Ich bin erleichtert, erledige den Papierkram, verabschiede mich freundlich und schiebe meine Karre zurück zur verschlossenen Glastür, hinter der der Fahrstuhl ist, hinter dem die Automatiktür ist, vor dem der Bettler steht. Aber ab und zu muss man halt mal zur Post.